Wir fragen in der Einschicht nach einem Hotel. Geradeaus wird uns gesagt. 10 km weiter sagt ein anderer am Ortsende links. Wir biegen ab. Nichts zu sehen. Kein Schild. Ich frage weiter. Plötzlich eine Antwort in wienerischem Dialekt. Wie bitte? Wo bin ich? Wienerisch in der größten Einschicht an der serbischen Grenze? Ja er lebe in Wien und das Haus da vorne sei das "Hotel" seines Cousins. Plötzlich läuft der ganze Ort zusammen. Wir sind die Sensation. Fremde haben sich hierher verirrt. Die Kinder, die Hühner und der Truthahn werden uns Stolz präsentiert. Wir beziehen das Zimmer oben mit Blick auf die Donau. Der Cousin kocht uns Kaffee und bietet uns Bier an. Er spricht gebrochen deutsch. Auch er arbeitet regelmäßig für 3 Monate in Wien als Koch. In der Zeit schläft er im Auto in Wien. Dann kommt er wieder hier nach Rumänien zurück. In Wien verdient er 7 EUR die Stunde in Rumänien 1 EUR. Es wird für uns Fisch gekocht. Zuerst Fischsuppe danach gebackenen Fisch. Das hat absolut phantastisch geschmeckt. Die Panier war derart gut gewürzt, sodaß ich mich als Fischfreund im siebenten Himmel wähnte.
Der rumänische Wiener mit seiner Frau kommen vorbei. Sie erzählen sie seien Roma, also Zigeuner. Unglaublich, wir sind in einer Zigeunersiedlung bei einem Koch gelandet, dessen Cousin mit Familie in Wien wohnte. Das war spannend. Noch nie hatte ich mit Zigeuner gesprochen. Seine Frau studierte in Wien Soziologie. Sie berichteten von den Schwierigkeiten mit den Rumänen und wie hoch sie die Minderheitenpolitik in Österreich schätzten. Die Roma halten weltweit zusammen, daher kannten sie auch die Roma in Oberwart. Sie kannten Harri Stojka (bekannter Roma Jazz Musiker in Österreich) traten in der ORF Sendung "Heimat, fremde Heimat" auf und ihr Sohn studiert klassisches Klavier in Wien. Ihr Ziel sei hier einen Hof aufzubauen und wieder hierher zu ziehen um von der Landwirtschaft zu leben. Man merkte auch an dem übertriebenen Geltungsbedürfnis die Zurücksetzung in der gesellschaftlichen Stellung.
Gestern lernten wir einen Rumänen kennen, der über die Roma klagte, heute lernten wir Roma kennen die über die Rumänen klagten. Mir waren beide sympathisch. Die offensichtlichen erheblichen Spannungen machen mir Angst.
In der Embargozeit gegen Serbien haben manche hier Benzin und Salz über die
Donau mit einem Motorschiff geschmuggelt erzählt einer. Sie haben auch die
Raketen, Flugzeuge und das Luftabwehrfeuer beobachten können. Das war
Zeitgeschichte zum Anfassen.
Die Revolution gegen Ceausescus war seiner Meinung nach keine echte Revolution,
sondern eine von den Amerikanern gesteuerte.
Der Besuch in Temeschwar, in dem diese angeblich gesteuerte Revolution startete zeigte, warum diese hier begann. Eine lebendige Studentenstadt. Das Intellektuelle sieht man dieser Stadt an. Traurig und unfaßlich, daß erst vor einigen Jahren auf diesem Platz Massaker am eigenen Volk verbrochen wurden.
Das Bild das sich uns am Weg bot, war fast zu kitschig um es für Realität zu halten. Zigeuner an einem Fluß, mit zwei Plachenwagen, Pferden, und einer Feuerstelle in der Mitte.
Auf dem Weg nach Hause dachte ich, soviele winkende Hände habe ich noch in
keinem Land gesehen. Geistig winkte ich an der Grenze einem nahen und doch so
fernen Land, das mich sicher nicht zum letzten mal gesehen hat.