Rumänische Kontraste Seite 2

Die Motorräder können wir direkt in das Hotel hinein neben der Rezeption stellen, sagt der englischsprechende, sehr gesprächige Rumäne. Gesagt getan. Da sind sie sicher, denken wir. Trotzdem sperren wir sie noch ab.

Warmwasser gibt es zwar keines beim Duschen, aber eine Kneippkur ist auch gesund. Dafür gibt es einen Fernseher im Hotelzimmer, für den wir allerdings keine Verwendung haben, denn der spannendste Film ist die Realität da draußen.

Der Ort wirkt zunächst trostlos, allerdings wird eine neue Kirche gebaut. Eine, die alle neuen Kirchen in Österreich, die ich kenne, in ihrer Schönheit weit übertrifft. Die RumänenInnen haben heute offenbar einen anderen Blick für das Schöne.

Das erkennt man an ihrer Kleidung, an den herausgeputzten Frauen, an ihren geschmückten Häusern, an den Kleinigkeiten die das Auge erfreuen. Natürlich sind viele Häuser verfallen, Nebenstraßen staubig, Plattenbauten verwahrlost. Aber genauso wie nach einem Erdbeben das Grüne aus der Asche wächst, lugt die Schönheit, Formgefühl und Farbenfreude unübersehbar aus der Tristesse jahrzehntelanger Misswirtschaft heraus. Irgendwie erinnert mich dieser Zug zum Schönen an das Italienische, genauso wie die Sprache. Das ist mir sympathisch und meiner Moto Guzzi sicher auch, denke ich während ich die italienische Speisekarte studiere. Es begrüßt uns ein perfekt englischsprechender Rumäne und setzt sich an unseren Tisch. Er habe 6 Jahre in London gearbeitet und sei zurück gekommen und lebe jetzt von dem dort verdienten, erzählt er in einer Freundlichkeit und Wärme, die den Verdacht in mir aufkeimen läßt, daß meine Angst vor der Dacia Fahrerin nach der Grenze eine Dummheit war, die aus der Unkenntnis der für westliche Verhältnisse unglaublichen rumänischen Freundlichkeit stammt.

Der Linzer, der mit einer weissen Corvette mit rotem Lederinterieur vorfährt, kann wohl nur aus einem einzigen Grund hierher gekommen sein. Er interessiert sich wohl auch für Schönheit, allerdings nur für eine Spezielle. Von der es allerdings zugegebenermassen hier auch reichlich gibt.

Die Guzzi ist auch eine Zeitmaschine. Zurück in die Vergangenheit. Kleine Dörfer, Holzhäuser, Holzkirchen, Fuhrwerke, Menschen in farbenfroher Tracht. Nein, das ist kein Museum, das ist kein Disneyworld, kein Film, das ist pure Alltagsrealität an der Grenze zur Ukraine. So ähnlich muß es wohl vor 100 Jahren auch bei uns zugegangen sein. Allerdings hatten wir bestimmt nicht so wunderbare Holztore, die von einer großen Schnitzkunst zeugen. Der Junge, der gelangweilt an der Holzbrüstung der urigen Bar lehnt, in der wir essen, hat andere Dinge im Kopf. Er erzählt, er arbeite regelmäßig für ein paar Monate illegal in Deutschland. Er will raus aus dieser altmodischen Einschicht, er will das tagtäglich im Satellitenfernsehen Suggerierte. Großes Auto, Computer, Geld. Was wir haben davon träumt er, was er hat das bewundern wir. Wert hat immer nur das, was man gerade nicht hat.



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